aus dem Buch  "Auf Schalke - Fußball total":

Mythos Schalke
Vom Opa bis zum Enkel

Alle reden vom "Schalke-Mythos". Was ist das? Gibt es ihn überhaupt? -
Aber klar doch. Ganz bestimmt! Oder was hat das zu bedeuten, wie ist es zu erklären, wenn Schalke 04 bei einer x-beliebigen Mannschaft auftaucht und die Zuschauerzahlen verdoppeln sich, das Stadion ist gar ausverkauft? "Das ist der Schalke-Mythos", sagen die Leute.

Schlägt man im Lexikon nach, steht dort unter Mythos zuerst, dass das Wort aus dem Griechischen stammt und "Wort, Erzählung" heißt, später auch "Legende" und schließlich "Legenden, die in irrationaler Weise die Grundlage sozialer Bewegungen bilden." Also sind wir Schalker mit unserem Mythos die Grundlage sozialer Bewegung? So ein ganz, ganz klein wenig ist dran.

Da ist ein Schwimmfest in Dortmund. Wohlgemerkt "Schwimmfest". Und zwischen 400-m-Lagen und 200-m-Freistil sagt der Sprecher in der Halle plötzlich das Ergebnis von Schalke 04 durch. Die Leute sind wie elektrisiert, schlagen sich gegenseitig auf die Schulter, springen auf: "Mein Gott, wie schön. Schalke hat gewonnen." Das ist keine Erfindung, im Gegenteil: selbst erlebt.

Der "Stern" brachte eine ganze Seite gezeichneter Bildkarikaturen darüber, wie sich ein Mann, der offenbar zu spät gekommen ist, Samstag abend durch die Besucherreihen eines Konzert- oder Theatersaales schlängelt und jedem zuzischt: "Schalke hat gewonnen", was hinter ihm bei allen ein breitzufriedenes Grinsen hinterlässt.

Wieso eigentlich? Schalke spielt doch auch nur Fußball, kocht doch auch nur mit Wasser. Was ist es bloß, das bewirkt, dass derjenige, der sich zu Schalke bekennt, entweder bemitleidet, verteufelt, ja oft sogar gehasst wird, von der großen Schalke-Familie jedoch aufgenommen und ans Herz gedrückt wird wie der heimgekehrte verlorene Sohn in der Bibel?

Das ist beileibe nicht übertrieben. Denn die Schalke-Familie ist riesengroß, über ganz Deutschland und in allen Gesellschaftsschichten vertreten.

Wenn sich zwei, die einander vorher nie gesehen haben, treffen und feststellen, dass sie "alte Schalker" sind, dann ist der erste Schritt zur Verbrüderung bereits getan. "Mensch, warst du auch da gegen Blau-Weiß 90?" - Oder: "Weißt du noch, wie der Stan damals...?" Ein anderes Thema wird häufig gar nicht mehr angeschnitten. Genau das ist es, was alle Schalker kennen. Jeder hat mindestens eine ganz persönliche Schalke-Geschichte.

So etwa der Pfarrer, der 1972 das zweite Pokalhalbfinalspiel gegen den 1. FC Köln in der Glückauf-Kampfbahn miterlebte. 4:1 hatte Köln das Hinspiel gewonnen. 5:2 für Schalke stand es jetzt nach Verlängerung auf Schalke. Das folgende, entscheidende Elfmeterschießen konnte sich der Gottesmann jedoch nicht mehr ansehen. Er war sowieso schon viel zu spät dran. Schließlich wartete seine Gemeinde in der heimischen Kirche auf ihn. Als er endlich, ziemlich abgehetzt, dort zur Abendmesse eintraf, trat der Küster auf ihn zu und flüsterte ihm nur drei Worte ins Ohr: "Wir haben gewonnen!" Auch ein Schalker.

Oder der Mediziner, der heute noch von seinem ersten Besuch "Auf Schalke" schwärmt: "Zwölf Jahre war ich alt. Bayern München war gekommen mit Beckenbauer, Müller, Maier, Schwarzenbeck... Schalke hatte eine junge, unbekannte Mannschaft, und die führte bei Halbzeit 5:2 gegen die halbe Weltmeistermannschaft von 1974. Ich bin mit den 71000 im Parkstadion fast verrückt geworden. Karneval in Rio kann nicht anders sein."

Und, und, und... solche Erlebnisse hat jeder Schalker. Und das ist auch eines der Schalker Geheimnisse, diese persönlichen Erlebnisse und die damit verbundenen schönen Erinnerungen in einmaliger, Schalker Atmosphäre.

Zum Mythos und seiner Erklärung kommt noch etwas Wichtiges hinzu. Schalke spielte vor dem Kriege den besten Fußball überhaupt. In einer Zeit, in der guter Sport noch viel mehr etwas Besonderes war als heute, wo das Fernsehen stündlich auf allen Kanälen jeden beliebigen Sport frei Haus liefert. Damals, zu Szepan und Kuzorras Zeiten, gab Schalke den Menschen im Revier, die vom Rest Deutschlands ob ihrer "schwarzen, trüben und ewig grauen" Heimat bemitleidet wurden, das Gefühl des Erfolges, die Chance zur Identifikation.

Das damals entstandene "Wir-Gefühl" hat sich bis heute erhalten. Diese Liebe zu Schalke ist vom Großvater auf den Vater und von dem Sohn auf den Enkel übertragen, ja förmlich vererbt worden.

Sicherlich ist das ein Teil von dem, was den "Schalke-Mythos" ausmacht und ein Kernstück dessen, was alle Schalker zu einer großen Familie macht.

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